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Gen-ethischer Informationsdienst (GID)
178
Okt./Nov. 2006 (22. Jahrgang - ISSN 0935-2481)

Rezension

Tierisches Insulin

Mit der Zulassung und gezielten Vermarktung des so genannten Humaninsulins Anfang der achtziger Jahre und der Insulinanaloga Ende der neunziger Jahre wurde die Herstellung der gut bewährten tierischen Insuline nach und nach ersatzlos eingestellt, um die teueren Human- und Kunstinsuline besser vermarkten zu können. 2005 verschwand auch das letzte tierische Insulin vom deutschen Arzneimittelmarkt. Der Großteil der insulinpflichtigen DiabetikerInnen kommt mit Humaninsulin auch zurecht. Für eine Minderheit der PatientInnen begann jedoch ein Wettlauf gegen die Zeit und gegen ÄrztInnen, ApothekerInnen, Krankenkassen und selbst Diabetikerorganisationen: Sie reagieren unter der Therapie mit Humansinsulin mit extrem schweren Nebenwirkungen. Neun der Betroffenen kommen in diesem Buch zu Wort. Ihre Erfahrungen reichen von "stark schwankenden sowie unerklärliche(n) Blutzuckerwerte(n) und nicht wahrnehmbare(n) Hypos, über Wahrnehmungsstörungen bis hin zu Bluthochdruck mit lebensbedrohlichen Werten und Organversagen. Doch sie werden nicht ernstgenommen: "Der Professor teilte mir später schriftlich mit, ich wolle etwas naturwissenschaftlich Unmögliches bewiesen haben: Eine Allergie gegen einen Stoff (gentechnisch hergestelltes Humaninsulin), ohne den kein Mensch leben könne", berichtet die Herausgeberin des Buches, eine Betroffene und Begründerin der Inititative Pro Tierisches Insulin. Eine andere Patientin berichtet, ihr Arzt habe ihr klipp und klar gesagt, dass er sie nicht dabei unterstützen würde, auf tierische Insuline umzusteigen.

Für die Betroffenen bleibt derzeit nur die Möglichkeit, tierische Insuline zu importieren. Dann kann die Krankenkasse aber die Bezahlung verweigern, wenn es in ihren Augen vergleichbare Medikamente, in diesen Fall Insuline, auf dem deutschen Markt gibt. Zwar sind tierische und humane Insuline schon aufgrund ihrer unterschiedlichen Herstellung in ihrer (Neben-)Wirkung nicht vergleichbar, aber es liegt in der Verantwortung des Patienten, dies zu beweisen, um die Kosten erstattet zu bekommen. Den Kern des Problems formuliert eine Betroffene folgendermaßen: "Wieso wird ein altbewährtes Medikament so einfach vom Markt genommen? Wieso war es möglich, die Nachfrage nach tierischem Insulin künstlich und bewusst einzuschränken? Wieso fällt es den Ärzten und zuständigen Stellen so schwer, tierisches Insulin als Behandlungsalternative anzuerkennen?" Ein lesenswertes Buch, das generelle Probleme in der Gesundheitspolitik erahnen lässt.

Jana Boehme

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